Ja,
da stand er 1981 wieder vor mir: Jürgen Siebertz. Ehemals
Nachbarkinder, aber dann
hatte
man sich aus den Augen verloren, und jeder von uns war seinen Weg
gegangen.
Er
wurde ein erfolgreicher Außendienstmitarbeiter bei einem US-Konzern, wechselte 1972
in eine völlig andere Sparte und studierte den Beruf des
Sonderschullehrers. Nebenher
entdeckte
so nebenher ein neues Hobby: die Malerei.
Über‘s
Malen hatten wir uns schon öfter unterhalten und
diskutiert…Farbkompositionen, Stilrichtungen etc.). Jetzt
präsentierte er mir seine neue, tolle Idee.
Zeichnen und Malen waren schließlich auch bei mir seit
meiner Kindheit als Talent vorhanden, und das war es, was uns beide
zu dieser Zeit verband. Aber ich, als einziges Kind meiner Eltern,
dazu auch noch Sohn, war eigentlich dazu bestimmt, die Landwirtschaft
meiner Eltern zu übernehmen. Doch es kam alles anders. Im „zarten“
Alter von 19 Jahren ging ich nach Dortmund, begann dort mein Studium
als Grafik-Designer und vollendete dies 1973 in Aachen mit dem
akademischen Grad „Designer grad.“.
Über‘s Malen, wie schon gesagt, hatten wir uns ja
vorher schon einige Male ausgetauscht, und deshalb, so dachte ich,
sei auch dies der Grund seines Erscheinens. Der Grund war aber an
diesem Abend ein anderer: Er hatte wieder eine Idee. Jürgen hatte
eigentlich immer schon verrückte, tolle und gute Ideen. Doch diesmal
… es war irgendwie anders, es lag was in der Luft. Die folgende
Idee schien wirklich Hand und Fuß zu haben und es war ihm, so
empfand ich es jedenfalls, sehr ernst damit. Er hatte die Vision, die
Geschichte Lammersdorfs zu erforschen, zu erhalten und in Schrift,
Bild und Taten festzuhalten. Er wollte bestimmte Dinge und Werte auch
den Nachkommen noch zeigen können, denn in Lammersdorf ging langsam
aber sicher einiges an Traditionsreichem und Ortstypischem verloren.
Unter anderem waren schon drei alte Bauernhäuser –
das von „Chrisdendrügde Berta“, „Musch Hennes“ und von
„Hoppe Herman Jupp“ – innerhalb kürzester Zeit abgerissen
worden. Das Haus von Willi Bongard („Walze Michel“) würde das
nächste sein, das der damaligen „modernen und zeitgemäßen“
Dorfplanung zum Opfer fallen sollte. Jenes habe ich, übrigens auf
Anraten von Jürgen, noch kurz vor dem Abriss fotografieren können.
Zu dieser Zeit arbeitete ich noch nebenbei für den Zeitungsverlag
Aachen, und so fand der Abriss dieses eigentlich ortsuntypischen
Hauses – es war ein sehr auffälliges und repräsentatives Bauwerk
– wenigstens dort noch einen würdigen Platz im Lokalteil. Dann war
auch dieses Wahrzeichen für immer von der Bildfläche unseres Ortes
verschwunden.
Da also einiges unserer Dorfkultur verloren ging, war,
wie auch ich fand, dies genau der richtige Zeitpunkt, einen Verein
für die Erhaltung der „Heimatgeschichte und Dorfkultur“ zu
gründen. Nur, wie und wo konnte man die Dinge, die verloren zu gehen
schienen, aufbewahren, archivieren und der Nachwelt in entsprechendem
Ambiente präsentieren? Ihnen einen Platz geben, der ihrer würdig
ist, echt und repräsentativ, wo Besucher einkehren und die Objekte
und Dokumente besichtigen und in der Vergangenheit stöbern können?
Ein echtes Problem.
So saßen wir nun an jenem besagten Abend da und
überlegten, planten und sponnen einige Ideen. Aber ich wurde das
Gefühl nicht los, als hätte Jürgen eigentlich schon etwas
Konkretes im Hinterkopf. So war es dann auch. „Helmut, wie wäre
es, wenn wir deine alte Mühle als Ausstellungsraum nutzen und
umgestalten, für Besucher und Interessenten zugänglich machen. Das
Ambiente, die alte Mühle, die sogar noch funktioniert, und das
Drumherum wären doch toll, oder?“ Irgendwie fühlte ich mich
geehrt und „gebauchpinselt“, gleichzeitig war ich hin- und
hergerissen. Jede Menge Leute, andauernd bei mir im Haus … naja.
Wir (meine Frau Elke, unsere Söhne Thomas und Lukas und ich) wollten
ja hier wohnen, und es war noch nicht alles fertig umgebaut. Ich
musste noch ganz schön reinhauen, um der Mühle ein wohnliches
Ambiente zu geben, damit wir hier demnächst zeitgemäß leben
könnten. Nun sollte hier auch noch ein Museum eingerichtet werden.
Es wurde nichts entschieden, aber es entstand schon mal
eine grobe Vorstellung, wie unser Museum aussehen und funktionieren
würde – und unsere Bilder im Kopf nahmen dann auch langsam
konkretere Formen an. Es verging noch einiges an Zeit und aus der
Idee, die Mühle zu besiedeln, wurde – Gott sei Dank! – der
Erwerb eines ganzen Hauses nebst Grundstück, wo auch Platz für
unser altes Heugebläse war, das dann aus unserer Scheune aufs
Museumsgelände, die jetzige Wiese mit Garten und Backes, wanderte.
Von da an ging alles eigentlich relativ zügig voran. Es wurde
geplant und gewerkelt. Jeder packte nach seinen Fähigkeiten mit an.
Mein Engagement lag nicht im „Hand anlegen“, denn
handwerklich musste ich mich ja zu Hause beim Umbau der Mühle noch
kräftig reinhängen; und das nach täglich zehn bis zwölf Stunden
Werbeagentur-Stress. Mein Einsatz beim „Verein für
Heimatgeschichte und Dorfkultur Lammersdorf e. V.“ und seinen
Ablegern kam etwas später: Entwurf, Gestaltung und Umsetzung der
Prospekte und Plakate zur Eröffnung des Museums sowie für die
unterschiedlichen Bereiche des Vereins wie Kunstausstellungen,
Mundartkreis und den wieder ins Leben gerufenen Theaterverein. In
letzterem engagierte sich auch Elke als „Schauspielerin“ unter
der damaligen Leitung von Ernst Stollenwerk. Mir oblag dabei die
Gestaltung und Umsetzung des Bühnenbilds, ferner die Gestaltung und
der Druck der Einladungen, Flyer und Plakate. Auf diesen Gebieten
konnte ich der Dorfkultur etwas Gutes tun und mich künstlerisch und
praktisch einbringen. Das war meine Welt, mein bescheidener Beitrag
zur Darstellung des Vereins. Eben jeder nach seinen Fähigkeiten.
Und nicht zu vergessen, die vielen sonntäglichen
Stunden für den Verkauf der Eintrittskarten und die Beratung im
Kartenverkaufs-Häuschen am Eingang des Museums.